Susanne Sundfør

Interview

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Mit einem aufregenden Mix von fein arragniertem Synth-Pop und epischen Minisymphonien ist Susanne Sundførs neuestes Album eines der schönen des bisherigen Jahres. Wir haben die norwegische Singer-Songwriterin getroffen um mehr über die Entstehung von "Ten Love Songs" zu erfahren und haben sie bei der Gelegenheit auch über die Vorteile innerhalb der Musikindustrie gesprochen.

Hi Susanne! Herzliche Gratulation zu Ten Love Songs, es ist wundervoll. Wielange hast du daran gearbeitet?

Dankeschön! Es ist ein bisschen schwierig es genau zu datieren aber 2012 habe ich angefangen daran zu schreiben, also ungefährt zwei Jahre.

Das Album wirkt direkter als deine letzten..

Ja ,das stimmt. Ich wollte bewusst direkter und poppiger sein.

Heißt das du bist auch anders als den Songwriting Prozess gegangen?

Ja, es ist mehr wie ein Puzzle das man lösen muss und weniger wie Gedanken die man zu Papier bringt. Ich fühle mich mehr wie ein Mathematikstudent wenn ich versuche Popmusik zu machen.

Wie kommt das?

Ich denke wenn man Popmusik machen möchte muss man gewissen Regeln folgen – zum Beispiel, dass man einen Hook braucht und einen Chrous. Vom textlichen gesehen verwendet man häufig Bildsprache und es gibt oft ein Wort das die die Spannung hält. Du musst dich geschickt anstellen und auf alle Zutaten achten. Wenn man einfach drauf los startet kann das auch aufregend sein aber es ist einfach eine andere Einstellung zur Musik. Ich denke der erste Song der poppiger war ist „Fade Away“

Deine Songarrangement sind sehr dramatisch als ob du dich in die weitesten Weiten deiner Vorstellungskraft begeben hättest. War es befreiend an diesem Album zu arbeiten?

Ja auf jeden Fall. Es hat mich gefordert weil ich die Songs viel direkter angegangen bin aber auch sehr befreiend weil ich ich die meisten daovn selbst produziert habe – das heißt wann auch immer ich eine Idee hatte hab ich einfach daran herumgebastelt. Manchmal wurde nichts draus, andere Male hat es gut funktioniert. Zum Beispiel der Versuch für das Intro zu „Kamikaze“ ein Chembalo zu verwenden, oder eine Streicher in „Memorial" einzubauen. Einfälle wie diese kamen sehr spontan und ich habe sie einfach probiert, dieser Part war auf jeden Fall sehr befreiend.

Ausser von drei Songs hast du Ten Love Songs selbst produziert. Warum wolltest du soviel Verantwortung übernehmen?

Nun, ich habe davor schon eine andere Bands produziert, und ich habe alle meine letzten Album mitproduziert, aber ja das ist das erste Mal, dass ich soviel selbst gemacht habe. Nachdem ich „The Brothel“ und „The Silicone Veil“ fertiggestellt hatte, hörte ich den Einfluss des Produzenten sehr stark – es hat sich mehr wie sein Sound angehört. Ich denke meine Hauptmotiviation war es einen neuen Sounds zu erkunden, und etwas neues auszuprobieren.

Was war bei dieser neuen Arbeitsweise am herausfordernsten?

Es ist eine Herausforderung wirklich alles slbst zu machen – dass kann auch ein bisschen langweilig werden, weil man einfach niemand hat dem man den Ball zuwerfen und sich austauschen kann. Es ist ausserdem sehr viel Arbeit – man schreibt die Songs, du komponierst sie und das einzige was du nicht machst ist sie abzumischen. Ich meine viele Menschen haben an diesem Album mitgearbeitet auf vielen verschiedenen Songs aber das meiste habe ich selbst gemacht, und das war sehr viel harter Arbeit.

Aber wenn du jetzt zurückblickst , macht es dich nicht auch wahnsinnig stolz, dass du alles selbst gemacht hast?

Vermutlich. Ich meine klar es war auch bei den letzten Alben sehr bereichernd aber ich fühl mich einfach mehr verantwortlich bei diesem Album.

Ich denke der beste Teil an dem ganzen Album war der Tag wo ich meine rohen Mixe zum Abmischen nach Bergen gebracht habe. Wenn jemand anderer auf deine eigene Musik blickt – mit seinen eigenen Ohren und seine persönliche Meinung mit einem Teil – das war wirklich der besten Teil. Das ist vermutlich auch eines der wichtigsten Dinge die ich während dieses Albums gelernt habe – es kann sehr wertvoll sein jemanden anderen in deine Arbeit zu inkludieren.
Ich habe sehr früh beschlossen das Album selbst zu produzieren – ich habe diesen Plan um ehrlich zu sein sehr stur verfolgt. Irgendwann kam ich aber an den Punkt wo ich Leute gebraucht habe die mich musikalisch unterstützen und ich bin sehr froh darüber andere Menschen inkludiert zu haben! Sie haben soviel schönes zum ganzen Album beigetragen. Ich denke das war meine beste Erfahrung – sich selbst einzugestehen dass man nicht alles sein kann.

Memorial im Speziellen ist ein toller Song – er hat diesen epischen Part in der Mitte. Kannst du uns mehr darüber erzählen?

Es ist ein relativ alter Song, den ich 2012 begonne habe zu schreiben – habe ihn aber nie wirklich fertiggestellt. Zu erst hatte er nur ein Piano und die Vocals aber nach einem Jahr habe ich ihn wieder aus der Schublade geholt und ihn immer und immer weiter gesponnen. Ich dachte mir wenn ich Streicher hinzufüge könnte es vielleicht in die Richtung „Philip Glass“ outro gehen. Danach war ich in New York für ein paar Monate um an einigen anderen Songs zu schreiben und auch an eben diesem besagten Streicherpart. Im Anschluss war ich in LA um Anthony Gonzales (M83) zu treffen und wir haben zusammen an dem Track weitergearbeitet. Er hat viel dazu beigetragen, dass die Musik so episch klingt – die Gitarre, das Schlagzeug und und viele der Synthesiser – all das hat dazubeigetragen. Erst danach habe ich das klassische Orchesterstück in den Song einfliesen lassen... und ja – das wars dann.

Du hast Philipp Glass erwähnt – haben dich auch andere Künstler beeinflusst?

Steve Nicks war wichtig für Fade Away und ich wollte, dass das Solo nach Queen klingt. Und ein bisschen Depeche Mode für Accelerate.

Was war der thematischeAusgangspunkt des Albums?

Liebeslieder haben mich schon immer fasziniert, weil sie zum einen sehr stark sind aber auch weil Liebe ein sehr großer Teil der Kunstgeschichte ist. Ich denke ich wollte meinen Teil dazu beitragen. Aber um ehrlich zu sein – und das gilt auch für alle anderen Alben – es gab nicht wirklich diese EINE große Motivation um über ein gewisses Thema zu sprechen. Dass sich dieses Thema um Liebe dreht war eher Zufall, ich habe erst später bemerkt, dass ich viele Liebeslieder geschrieben hatte. Und da ich schon dabei war wollte ich auch dabei bleiben und dachte mir das könnte das Thema des Albums sein.

In früheren Interviews hast du deine letzten zwei Alben als eine Art Therapie beschrieben. Wie erging es dir bei diesem Album?

Ich denke bei den letzten beiden Alben habe ich einfach gemacht auf was ich Lust hatte. Auch wenn man das vielleicht annehmen würde aber diese Album ist vermutlich weniger persönlich im Vergleich zu den anderen. Ich wollte viel mehr dass dieses Album gut wird und nicht unbedingt, dass es mir als Therapie dient.

Mit Delirious, Accelerate und Fade Away beinhaltet das Album auch drei sehr poppige Nummern. Hast du Bedenken, dass man dich jetzt in diesem Kontext sehen könnte?

Nein. Pop ist ein so breites Genre und ich versuche mich auf die Qualität der Musik zu konzentrieren und nicht auf ein Genre das moralisch vertretbar ist. Die Pop Industrie ist sehr zynisch in gewisser Weise aber auf der anderen Seite kommt auch viel gute Musik dabei raus. Ausserdem glaube ich dass die Pop Industrie in den 60igern genauso zynisch war, es hat den selben Mechanismus. Der einzige Unterschied ist das es jetzt mehr nackte Haut gibt (lacht)

Bist du genervt das soviel Haut gezeigt wird?

Solange die Frauen es auch wollen sehe ich kein Problem. Es wirkt so als fühlen sich sehr viele Frauen damit wohl damit und es is ihre Art und Weise sich selbst und ihre Kunst auszudrücken. Ein Problem entsteht meiner Meinung dann wenn man es tun muss um Popmusik zu machen – oder egal welches Genre.
Es ist sehr schwer zu erklären aber ich denke es ist sehr wichtig zu unterscheiden zwischen moralischer Kritik an Frauen und wirklicher Kritik an der Industrie. Diese Diskussionen scheinen oft abzudriften und beschäftigen sich mehr damit, dass Frauen sich nicht ausziehen sollten ohne den Mechanismus dahinter zu beleuchten.

Von aussen betrachtet wirkt die skandinavische Musikindustrie viel progressiver wenn es um die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern geht. Viele der großen musikalischen Exporte sind Frauen. Denkst du es ist tatsächlich progressiver oder gibt es genau die selben Vorteile die man auch von anderen Ländern kennt?

Ich weiß es nicht. Ich denke wir haben es weit geschafft in Skandinavien und ich denke auch Europa ganz Allgemein. Es wird immer besser aber ja es ist kompliziert, wir leben in sehr komplexten Gesellschaften. Aber weiß nicht warum soviele weibliche Künstler aus Skandinavien so erfolgreich in Großbritanien sind. Vielleicht ist es einfach Zufall.

Robyn war es letztes Jahr und dieses Jahr bist du Headliner am Oya Festival – in England zum Beispiel gibt es nur sehr wenige weibliche Künstler in dieser Position. Wie denkst du könnte man diese Siutation verbesser?

Ich denke wenn man jung ist wird ein großer Teil der eigenen Identität über das Geschlecht definiert. Man sieht andere Menschen mit dem selben Geschlecht und idealisisert sie. Die Musikindustrie hat in dieser Hinsicht besonders viel Macht – im Sinne wie wir Berühmtheit oder Perfektion sehen – es ist normal das junge Menschen Musiker idealisieren. Als Junge in den 90igern hat man vermutlich Nirvana, Pearl Jam oder Guns N Roses idealisiert – als Mädchen waren häuftig Whitney Houston oder Mariah Carey Idole. Wenn man sich aber ansieht wer für die großen Musikmagazine schreibt, wer Labels etc. leitet – dann findet man hauptsächlich Männer.
Was ich damit sagen will ist das es vermutlich der effektivste Weg ist mehr Frauen in die Industrie zu bringen, auch in Führungspositionen, dasss diese Jobs für mehr Frauen interessant werden. Ich denke, dass wäre der effektivste Weg. Ich glaube Musik ist Identität. Während Identität sich nicht nur über das Geschlecht identifiziert ist es doch ein großer Teil davon.

In der Zwischenzeit hast du sechs Alben veröffentlicht – inwiefern hat sich deine Motivation über die Jaher verändert?

Um ehrlich zu sein, nicht wirklich. Ich strebe danach Musik zu machen mit der ich glücklich bin und gut in dem zu sein was ich mache. Ich denke auch das ich immer besser werde. Zum Beispiel wusste ich nichts über all die technischen Aspekte als ich 20 war. Ich hätte auf keinen Fall ein solches Album damals machen können.

Februar 2015