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Interview

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Nachdem das Quintett aus Liverpool vor zwei Jahren ihr vielgepriesenes Debüt veröffentlichten, haben sich die einzelnen Bandmitglieder in drei verschiedenen Städten und auf zwei Kontinente niedergelassen. Sänger Andrew Hunt erklärt wie Skype und Fernbeziehungen den nachdenklichen Elektro-Pop auf ihrem neuen Album Slowness geprägt haben.

Hi Andrew - euch hat es auf der ganzen Welt verstreut. Wo bist du momentan?

In Liverpool - in der Stadt wo wir unsere Band gegründet haben.

Aber du bist doch vor Kurzem nach New York gezogen?

Ja das stimmt, ich springe zwischen New York und London. Meine Frau lebt hier, deshalb bin ich hingezogen und verbringe auch die meiste Zeit da.

Ich nehme an diese Distanz hat sich auf den Aufnahmeprozess des Albums ausgewirkt?

Ja und Nein. Wir wollten vermeiden, dass jeder für sich einzelen Gitarrenparts in irgendeinem Wohnzimmer aufnimmt, deshalb haben wir uns vier Monate Zeit genommen und gemeinsam aufgenommen. danach ging Tom (Gorten, Keyboarder) nach London und ich nach New York - danach haben wir uns alle paar Monate getroffen um weiterzuarbeiten. Das ging so ca. ein jahr lang hin und her.

Also habt ihr Slowness in einem Jahr fertiggestellt?

Ja wir haben im März 2014 begonnen und dachten im Sommer wäre es fertig aber als wir uns dann wieder getroffen haben, haben wir einige Tracks hinzugefügt und auch noch mal am Mix des Albums gearbeitet.

Was waren die kreativen Ziele für Slowness?

Wir haben bewusst versucht weniger nach "Pop" zu klingen. Wir wollten etwas gestalten, dass unser Leben repräsentiert und uns auch musikalisch mehr Freiraum gibt - ohne an die Struktur von Pop-Songs gebunden zu sein. Auf unserem ersten Album haben wir uns die Freiheit genommen jeden Sound zu verwenden auf den wir Lust hatten, so entstand auch dieses Gefühl einer Collage die auf dem Album zu hören ist. Dieses Mal wollten wir unseren Sound limitieren - dadurch musste jeder Sound mehr kommunizieren, das heißt unsere Arragements mussten sehr effizient sein.

Ausserdem denke ich wollten wir auch einsam klingen, wir wollten repräsentieren, dass wir viel Zeit ausserhalb unserer Komfortzone verbracht haben. Dieses Gefühl der Entfremdung und der Melancholie haben wird zwar am ersten Album "gestreift" aber dieses mal wollten wir es auf jeden Fall verdeutlichen. Ich denke das erste Album ist eher wie auf einer Party zu sein und sich zu fragen warum die Leute sich so verhalten wie sie sich verhalten und dieses ist mehr als würde man in ein Skype-Fenster starren und sich Fragen ob man sich jemals wiedersieht (lacht).

Gab es Referenzpunkte zu anderen Künstlern?

Eher bei unserem ersten Album um ehrlich zu sein, dieses Mal haben wir uns auf unsere Intuition verlassen. Aber in Retrospektive gab es doch einige Einflüsse in den verschiedenen Strukturen die wir aufgegriffen haben. Ein paar der Keyboard Teile wurden von Percs Techno Stil beeinflusst - harter und industrieller Sound. Scott Walkers letztes Album hat uns auch beeinflusst - in der Art und Weise wir er Texturen verwendet.

James Holdens Album "The Inheritors" war sehr wichtig für uns wenn es um die Synth-Sounds ging die wir gerne umsetzen wollten. Das gilt auch für "Third" von Portishead. Synthesisers wurden hier in einer anderen Art verwendet, mehr als wären sie ein organisches und kein künstliches Instrument: Synths können auch sehr warm und ein bisschen gebrochen klingen so wie es auch eine Gitarre oder eine Stimme kann. Das wollten wir unserer natürlichen Tendenz - sehr melodische Pop Songs zu schreiben, gegenüber stellen.

Musikalisch fanden wir uns in einer sehr festgefahrenen Spur wieder aus der wir heraus wollten.

Du hast erwähnt das Album wurde von emotionaler und physischer Distanz beeinflusst - wie kam es zu der Entscheidung das in den Fokus zu setzen?

Wir konnten das gar nicht umgeben um ehrlich zu sein, es wäre vollkommen unaufrichtig gewesen eine glückliche Popplatte aufzunehmen. Als Tom nach London gezogen ist hat es sich wie ein Wendepunkt angefühlt - wir mussten uns mit gewissen Realitäten auseinandersetzen was Liebe und Leben betrifft. Das Album spiegelt das sehr gut wieder. Das Album klingt traumatisiert und reflektiert dadurch sehr gut in welcher Situation wir uns befanden.

"Swam Out" reflektiert dieses Gefühl der Isolation besonders gut - vor allem wie die Skype Sounds eingearbeitet wurden.

Ja im ersten Teil des Songs. Sie sind sehr verzogen aber wenn man Skype oft benutzt erkennt man sie vielleicht, sie können einen verrückt machen. Wenn man über Skype mit jemanden spricht gibt es immer diese gewisse "Trennung" mit der Gesprächsperson aber Gleichzeit auch eine fast unangenehme Intimität. Selbst wenn ich mit meiner Frau skype, jemand den ich seit langer Zeit liebe und wahnsinnig gut kenne, ist es eigenartig so lange in ihr Gesicht zu starren.

Vor einigen Wochen konnten mich Leute anrufen um einen neuen Song zu hören. Wir wollten diesen unbestimmten Aspekt dieser Technologie zeigen - die Pannen und Unterbrechungen die man nicht plannen kann.

Konntest du sehen wer dich anruft?

Ja, aber sie konnten mich nicht sehen. Ich hatte ein Standbild eigenstellt. Also saß ich am Computer, schrieb Rechnungen oder irgendetwas in diese Richtung und plötzlich tauchte ein fremdes Gesicht am Bildschirm auf das sich meinen Song anhört.

Tolles direktes Feedback oder?

Ja es war ein bisschen eigenartig. Da war dieser Typ der mich anrief und ich dachte er beginnt gleich zu weinen. Er hat sich den Song 8 oder 9 Minuten lang angehört und hatte diesen traurigen Ausdruck in den Augen. Dann hat er einfach aufgelegt und mir 10 Minuten später eine Skype Nachricht geschickt in der stand "Das war sehr schön".

Das hört sich nett an. Aber andererseits die Vorstellung das mir jemand zusieht während ich einen Song höre ist ein bisschen Angst einflössend. Vor allem wenn ich diese Person nicht sehen kann.

(lacht) Ja es ist ein bisschen verrückt. Ich habe den Leuten gesagt sie können die Kamera auch ausschalten wenn sie nicht beobachtet werden wollen aber ich muss zugeben ich hab es irgendwie genossen - es hat einen voyeristischen Touch (lacht).

Wie kam es dann zu dem Albumtitel?

Ich beziehe mich auf ein Buch das ich gelesen habe, das "Slowless" heißt. Es ist eine relativ kurze Novelle aber einer der Hauptpunkt handelt von der Langsamkeit wenn man jemanden vermisst im starken Kontrast zu der Schnelligkeit wenn man versucht jemanden zu vergessen. Der Autor vergleicht einen Mann der schnellen Schrittes die Straße entlang läuft um zu vergessen was letzte Nacht passiert ist und auf der anderen Seite den Mann der seine Frau vermisst und sehr langsam schlendert.

Bei meiner Frau und mir hat es sich so angefühlt als würd unsere Beziehung in Slow Motion übergeben. Alles andere rund um uns war normal aber zwischen uns war diese ominöse Schwerfälligkeit.

Hab es noch andere Eínflüsse neben Milan Kundera, dem Autor von Slowless?

Raymond Carver ist ein ständiger Einfluss was unsere Texte betrifft durch seine Art und Weise wie karg und ökonomisch er mit Worten umgeht - bei im gibt es immer diese gewisse Furcht. Ich habe zu dieser Zeit auch viel Philosophie und kritische Theorie gelesen was sich automatisch auf die Songs ausgewirkt hat.

Das Aufnehmen von Songs ist an sich schon philosophisch - immerhin versucht man Leute zu überzeugen, dass etwas passiert ist. Diese Art kritisch zu denken hat auch unsere Soundpalette beeinflusst. Jeder Klang erinnert uns an etwas - wenn wir Musik hören entsteht eine Assoizationskette in unserem Kopf. Wenn man zum Beispiel ein Klavier hört denkt man auch an andere Klänge in diesem Kontext. Ein Klavier setzt oft einen romantischen und formellen Rahmen, was ich persönlich sehr mag weil wir es mit härteren, fast industriellen Sounds verbinden.

Gibt es einen Track am Album den du besonders magst?

Happy Birthday und Swam Out sind für mich die echtesten und pointiertesten Songs auf dem Album. Wenn ich die beiden hören kann ich mich genau erinnern was ich gefühlt habe und was ich rüber bringen will. Auch musikalisch bin ich sehr stolz auf die beiden Songs, sie sind emotional aber gleichzeitig auch mehrdeutig.

Gibt es etwas das zu während deiner Arbeit an Slowness gelernt hast?

Ich glaube wir befinden uns auf einem langen Pfad Richtung "weniger ist mehr" und, dass man mit wenig viel sagen kann. Ich glaube das ist etwas das wir schon lange als Band tun wollten, aber nie so richtig geschafft haben. Dieses Mal hat das besser geklappt.

Juni 2015