Ezra Furman

Interview

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Rastlos springt der charismatische junge Mann aus Chicago zwischen Glam Rock und Garage, Doo-Woop, Skiffle und Alt-Country ohne Scheu über Religion, Depression oder Geschlechtsrollen zu singen. Es scheint als hätte Ezra Furman mit seinem dritten Album Perpetual Motion People sein bisheriges musikalisches Optimum erreicht.

Hi Ezra! Gratulation zu deinem großartigen neuen Album. Wie fühlst du dich?

Zufrieden. Ich mag es wirklich gerne. Ich wollte, dass es das großártigste Album wird das es jemals gab - von dem her bin ich entäuscht, aber es ist das beste Album das ich jemals gemacht habe und das freut mich. Es macht mich großen Spaß es anzuhören und ich habe das Gefühl wir interlektuellen Songwriter vergessen manchmal wie das geht.

Wielange hat es gedauert bis du nach der Tour zu deinem letzten Album Day of the Dog an neuem Material gearbeitet hast?

Ich habe schon davor wieder begonnen an neuem Material zu arbeiten. So bald ich ein Album aufgenommen habe starte ich an neuen Songs. Letzten Sommer haben wir glaube ich angefangen an "Lousy Connection" zu arbeiten und nach der Tour im August sind wir ins Studio um das Album aufzunehmen. Ich hatte um die hundert Songs und es war sehr schwierig zu entscheiden welche davon aufs Album kommen sollen. Im Endeffekt habe ich die besten rausgepickt anstatt zu versuchen eine Art Konzeptalbum daraus zu machen. Manchmal ist eine Vielfalt an verschiedenen Songs auch sehr schön.

Perpetual Motion People ist sehr vielfältig - du springst zwischen verschiedensten Stimmungen und Stilen. Hattest du dir im eine Art Plan zurechtgelegt?

Für mich gibt es einfach einige Alben die mir Spaß machen wenn ich sie anhören - sie klingen einfach bunter. Das letzte Vampire Weekend Album ist zum Beispiel so ein Album aber auch Odelay von Beck. Diese Alben sind einfach sehr umbekümmert wenn es um ihre Vielfalt geht. Hätten sie Bilder wären diese in den hellsten und leuchtensten Farben. Es ist vielleicht eigenartig über Alben in Farben zu sprechen aber so ein Album wollte ich machen. Es ist eher ein Kaleidoscope als ein blau gehaltenes Picasso Bild.

In einem Interview mit der britischen Zeitung Guardian beschreibst du Day Of The Dog als ein manisches Album und The Year Of No Returning als eine depressive Platte - wo steht Perpetual Motion People in diesem Kontext?

Es stand kein Konzept dahinter aber in gewisser Weise habe ich dieses Album als das Dritte in einer Triologie gesehen. Auf dieser Platte wollte ich nun die ganze Persönlichkeit hineinpacken - nicht nur die manische oder depresse Seite. Auch wenn einie Songs eher düster sind im Großen und Ganzen sehe ich es doch als freudiges Album. Auch in langsamen Songs wie "Hour Of Deepest Need" steckt viel Enthusiasmus - die Zeile "Let that sucker bleed" steht für mich der sich diesen Emotionen etwas hingibt. Wenn man diese Traurigkeit, den Ärger oder die Anspannung zulässt - nur für eine Sekunde - ist es gar nicht so schlimm. Man muss den Moment kurz zulassen dann geht dieses Gefühl auch wieder weg. Ich versuche eine umfassende Persönlichkeit zu sein, mit einer Bandbreite an Emotionen. In diesem Sinne ist das Album eine Synstese der letzten beiden.

Im Song "Watch You Go By" findet man die Zeile "“I’ve got a bright future in music, as long as I never find true happiness.” Komplett ironisch oder doch mit wahrem Kern?

So denke ich wenn es mir schlecht geht - und bei diesem Song habe ich versucht aus der Sicht von betrunkener Verzweiflung zu schreiben. Ich glaube das nicht wirklich. Das ist diese Sache, dass man emotionales Chaos braucht um gute Texte zu schreiben...(lacht) Ich weiß nicht, das trifft auch mich eigentlich gar nicht zu. Wenn es mir nicht gut geht, kann ich alles schreiben. Ich denke es bedarf viel Energie, Fokus und Enthusiasmus um einen Song zu schreiben und ihn auch wirklich zu Ende zu bringen. Und wenn man ein Wrack ist - und das bin ich manchmal - kann man das nicht. Ich glaube aber nicht an Verzweiflung, das ist nur eine Illusion die man bekommt wenn man zu lange trinkt.

Gleichzeit findet man aber auch sehr viel Hoffnung und Positivität auf dem Album - vor allem bei deinem Track "Ordinary Life".

Ja, da kann ich mehr dahinter stehen - das ist ernsthafter. Es ist schwierig einen hoffnungsvollen Song zu schreiben. Vielleicht ist auch ein Teil dieser Zeile von "Watch You Go By" das sich niemand meine hoffnungsvolle Musik anhört. Wer will sich schon jemand anhören der darüber singt, dass alles okay ist. Ich weiß auch nicht manchmal mache ich mir Sorgen, dass die Leute wollen das ich ein bisschen verkorkst bin. Aber ich mache mir darüber keine Sorgen mehr, früher habe ich das eher getan. Früher habe ich mir das mehr zu Herzen genommen - mal bekommt man eine gute Review mal eine schlechte - es habe am Ende wirklich nichts damit zu tun ob du deinen Job gut machst.

Ein wiederkehrendes Motiv ist die Idee eines Schwellenzustandes - die Schwelle zwischen verschiedenen Orten, Glaube aber auch Geschlechterrollen. Kannst du uns mehr dazusagen?

Ich könnte ein Buch darüber schreiben. Ich sehe diese Mehrdeutigkeit als eine Art Freiheit - sich nicht klar zuordnen zu lassen. Mit diesem Album zeige ich, dass ich imunn bin gegen existierende Meinungen. William Blake hat einmal gesagt "I must create a system or else be enslaved by another man." Ich hasse und gleichzeitig fürchte die Versuchung ein Clichee zu erfüllen. Ich bin der Meinung es existiert keine Person die so ist wie ich. Und das trifft auf jeden zu, niemand keine schon im Vorhinein deine Biografie schreiben. Und es ist wichtig sich daran zu erinnern, dass nur weil es angenehmen Kategorien gibt in die man sich selbst setzen kann heißt es nicht das man dort ein Leben lang sein will. Ein Künstler zu sein heißt für mich sich selbst als frei zu erklären. Dass man auf seine Freiheit besteht und das vorgefertige Meinungen und Cliches nicht auf einen zutreffen. Daher liebe ich diese Mehrdeutigkeit - niemand kann dich klar festmachen. Bei mir kann man nie wissen wie mein nächstes Song nun klingen wird.

Was ist dein Lieblingstrack auf "Perpetual Motion People"?

‘Haunted Head’ ist irgendwie komisch - aber in einer Art die ich sehr gerne mag. Ich mag den Text, ich glaube ich habe da wirklich was gutes geschrieben. Und es gibt einige tiefen Stimmen und mein Lieblingsound ist eine dunkle menschliche Stimme.

Was hast du an der Arbei zu diesem Album dazugelernt?

Hmmm.... das ist zwar bereits in der Vergangenheit passiert aber es ist immer eine Überraschung wenn man sich in einen kreativen Prozess begibt und schon im Vorfeld eine Vorstellung hat wie ein Song klingen wird und dann kommt doch alles ganz anders. Das ist dieses Mal oft passiert. Oder genauso welche Songs wohl besonders gut klingen. Ich dachte "Tip Of A Match" wird im Mülleimer landen aber mein Bassis Jorgen [Jorgensen] "Nein nein, der Song hat etwas Besonderes an sich". Oder auch "Ordinary Life" - der war nie als Akkustiv-Song geplant, komplett anders mit rockigen Drums. Dieses Mal hatte ich keinen genauen Plan wie das Album klingen soll und das war großartig. Dadurch habe ich viele neue Dinge entdeckt. Es war als würde man sich in einen dunklen Raum umsehen und langsam herausfinden wo man sich befindet und was passiert.

Ist die Arbeit also eine Zusammenarbeit von allen Beteiligten?

Naja, ich schreibe die Songs und habe eine Idee wie sie klingen sollen - aber sobald man etwas mit anderen spielt merkt man sofort was gut oder schlecht ist - was funkioniert. Manchmal kommt auch jemand mit einem tollen Gitarrenpart und man gestaltet den Song einfach ein wenig um. Aber ja es ist eine musikalische Zusammenarbeit - jeder steuert etwas bei. Die Jungs in meiner Band - die Boyfriends - sind gut. Sie wissen über Musik Bescheid und haben in einigen Bands gespielt, die wissen genau was sie tun. Noch mehr als ich vermutlich.

Gab es Einflüsse die uns vielleicht überraschen könnten?

Kennst du den Song "Can I Sleep in Your Brain"? Ich sah die Nummer auf einer Platte im Haus von unserem Gitarristen Ben [Joseph]. Es hat sich herausgestellt das es ein Hank Williams song war "Can I Sleep In Your Barn Tonight" heißt der - ein toller Song. Ich dachte an Brain und "Boom - das ist der beste Songtitel den ich jemals gehört habe" (lacht) Das ist eine Übertreibung aber...es ist alles gestohlen aber doch unterschiedlich. Von dem kommt die eigentliche Idee: Man füllt seinen Kopf mit den Ideen anderer Leute und sie verbinden und verändern sich.

Also wirst du das restliche Jahr viel touren?

Ja, aber ich kann natürlich nicht die ganze Zeit touren. Für mich ist es zeitweise schwierig auf Tour zu sein. Es ist hart. Ich werde verrückt wenn ich nie Zeit für mich selbst habe, und ausserdem ist man erschöpft. Also ja es wird ein bisschen Tour sein aber auch Zeit zuhause. Aber ich habe auch bereits mit neuem Material angefangen und werden daran weiterarbeiten. Für mich ist das der wichtigste Job. Sollte ich jemals nicht mehr touren können würde ich trotzdem weiterschreiben. So bin ich.

"Perpetual Motion People" ist dein sechstes Album und deine dritte Solo-Platte hat sich seine Motivation über die Jahre geändert?

Ja ich glaube schon. Es ist ein Verlangen. Es ist das Verlangen und die Sehnsuch nach einem Album das es noch nicht gibt. Machmal habe ich das Gefühl es wird nicht wieder passieren - die Angst das dieses kreative Dringlichkeit nicht noch einmal kommt, aber dann denke ich mir gleichzeitig "Ooo, Ich wünschte diese Art von Song gäbe es und ich könnte ihn schreiben." Es ist ähnlich wie der Hunger nach einem Drink oder einem speziellen Gericht . Ich denke mir dann "ich weiß genau was ich machen muss." Also kann ich gar nicht anders, weißt du.

Aber in vielerlei Hinsicht habe ich mich auch sehr verändert. In der Vergangenheit war mir die Band nicht so wichtig. Mit meiner erster Band "The Harpoons" war es sehr getrennt - "Ihr seid die Band ihr spielt Band Zeug, es ist mir egal. Ich mache mein Ding. Ich habe diesen Song auf einer akkustiv Gitarre geschrieben und so ist er und wird nicht geändert." Ich verstand auch nicht warum man ein zweites Take brauchen könnte. Ich habe diesen Impuls nicht verstanden, dass man solange an etwas arbeitet bis es perfekt ist. Ich war vermutlich sehr amateurhaft aber heute sind mir Details sehr wichtig .

Juli 2015